Orbis Incognita
Orbis Incognita - Das Rollenspiel
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Bendix spannte die Muskeln an und versetzte dem Bewacher zur rechten einen ordentlichen Stoß. Der junge Soldat taumelte und prallte gegen eine üppige, resolute Matrone, die ihnen entgegenkam, einen vollen Gemüsekorb auf der Hüfte. Die Frau begann ohne Vorwarnung lautstark zu schimpfen und verpasste dem Soldaten eine schallende Ohrfeige. „Rüpel! Benimm dich, einer Dame gegenüber!“
Diesen Augenblick nutzte Bendix, um trotz der gefesselten Hände im Sprint zu fliehen. Er duckte sich durch eine Menschentraube, schlüpfte zwischen zwei Männern hindurch und sprintete dann eine Seitengasse hinab. Doch seine Bewacher reagierten schnell. Angetrieben von Hermanis heiseren Anfeuerungsrufen setzten sie hinter Bendix her und versuchten, den Abstand so klein wie möglich zu halten. Bendix´ Atem ging keuchend, als er die Silbergasse hinabflog und fieberhaft über die besten Fluchtmöglichkeiten nachsann.
Seine gefesselten Hände behinderten ihn sehr, so dass sich der Vorsprung zusehens verringerte. Er musste es bis zum Hafen schaffen, vielleicht würde er sich dann mit einem beherzten Sprung in die Fluten vor seinen schwer gerüsteten Verfolgern in Sicherheit bringen können. Doch offenbar war ihm Fortuna nicht besonders wohlgesonnen, denn an der dritten Querstraße sprang zunächst eine merkwürdige, exotische Katze mit schwarz-grünem Fell vor Bendix auf die Strasse, die von einer ganz normalen, aber dafür übergroßen Dogge verfolgt wurde.
Bendix stolperte über die Katze, die ihm wild fauchend die spitzen Krallen über die Wange zog und landete dann genau unter der Dogge, die nicht zögerte, ihre mächtigen Zähne tief in Bendix´ Oberschenkel zu schlagen. Blut spritzte und Bendix Flucht fand ob dieser Verzögerung ein schnelles Ende, denn Hermanis holte ihn ein und streckte ihn zum wiederholten Male mit dem Knauf seines Breitschwertes nieder.

Sirion saß noch immer mit seinem Tee auf der Terrasse und wartete interessiert auf das Ende der Verfolgungsjagd. Der Gefangene hatte einen äußerst mutigen, wenn auch fast aussichtslosen Versuch unternommen, der Justiz zu entkommen. Sirion wurde neugierig, da ein solcher Fluchtversuch auf ein Verbrechen der übleren Sorte hindeutete. Nur, wer eine schwere Strafe zu erwarten hatte, versuchte die Flucht bei so geringen Erfolsaussichten! Nun kamen die Soldaten wieder in Sicht, den Gefangenen hinter sich herschleifend und merkwürdigerweise von einer exotischen Katze und einer häßlichen Dogge verfolgt. Sirion beschloß, sich am Buffet im Inneren des Lokals einige Speisen zusammenszustellen, um dann in aller Ruhe dem Prozeß zu folgen. Er bedeutete seinem Hund Twister, am Tisch zu warten und stand dann auf, um sich am Buffet des exquisiten Hauses mit Delikatessen einzudecken.

Bendix wurde von seinen Bewachern zur Anklagebank geführt, wo er mit schmerzverzerrtem Gesicht in sich zusammensank. Was für ein Pech! Wäre er nicht über die raufenden Tiere gestoplpert, wäre es durchaus möglich gewesen, den Wachen zu entkommen. Die hässliche Dogge hatte ihn übelst gebissen und streunte jetzt wenige Meter vor der Anklagebank herum, offenbar voller Hoffnung, die übergroßen Zähne nochmals in Bendix´ Bein schlagen zu können. Plötzlich gab es einen erneuten Aufruhr: Die Dogge sprang in einem wilden Ausfall an einem der Wächter vorbei auf Bendix zu, als ein weiterer Hund, ein schlanker, eleganter Jagdhund, laut bellend aus einem der angrenzenden Terrassenlokale schoß und in gestrecktem Lauf auf Bendix´ Angreifer zuschoß. Der junge Händler schloß die Augen zu einem Stoßgebet, in dem er die Götter anflehte, dem anstürmenden Jagdhund Schnelligkeit zu verleihen.

Sirion kam zurück auf die Terrasse des „Goldenen Herbstes“, einen hoch beladenen Teller vor sich balancierend. Zurück an seinem Tisch bemerkte er erstaunt, dass sein treuer Jagdhund Twister seinen Befehl mißachtet hatte und sich nicht mehr wartend am Tisch befand. Achtlos setzte Sirion seinen mit Delikatessen reich beladenen Teller auf die Tischplatte und blickte sich zornig nach Twister um. Diesem Hund würde er schon Manieren beibringen! Es dauerte nicht lange, das Tier zu entdecken: Er hatte sich tief in der Kehle einer riesigen Dogge verbissen und knurrte dabei wild.
Doch etwas anderes ließ Sirion entsetzt aufkeuchen: Der Angeklagte, über den heute Gericht gehalten werden sollte, war niemand anderes als sein Freund Bendix, der junge Freihändler aus Albion. Sirion gab sich keinen Moment der Verwunderung hin, dass man Bendix verhaftet hatte, sondern traf eine schnelle, entschlossene Entscheidung. Hier konnte nur jemand mit großem Einfluß helfen – in Frage kam also nur ihr Klient und Mentor Rudolph Blaudorn, der ihnen einerseits zu Dank verpflichtet war und andererseits über die erforderlichen Kontakte verfügte. Sirion stieß einen durchdringenden Pfiff aus, der für Twister das Signal zum Töten war und sprintete dann, über zwei festlich gedeckte Tische setzend, in Richtung des Blaudornschen Kontors davon.

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