Orbis Incognita
Orbis Incognita - Das Rollenspiel
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8. Kapitel: Die Rache und der Schattenmantel

Malice saß in seinem verborgenen Büro und blickte hinunter in den Schankraum seiner Kneipe. Dort stand soeben Bendix vom Tisch seiner Freunde auf und wandte sich zum Gehen. Seine Miene wirkte undurchdringlich, fast starr. Malice schüttelte leise den Kopf. Verfügte dieser junge Mann tatsächlich über das Talent, das er selbst, Malice, ihm zugetraut hatte? Oder handelte es sich um einen weiteren Schwächling aus Albion? Der ehemalige Meisterdieb schnaubte verächtlich und wandte sich seinen Unterlagen zu.
Doch einem Impuls folgend warf er kurz darauf einen weiteren Blick in den Schankraum. Bendix ging mit sicherem Gang auf den Ausgang zu und schien vor Energie nur so zu strotzen. Malice hatte schon lange keinen so entschlossenen, fast brutalen Gesichtsausdruck mehr gesehen und beschloß für sich, den jungen Freihändler noch nicht gänzlich abzuschreiben. Tief in Gedanken ließ er seinen Blick zurückschweifen zu dem Tisch, an dem Sirion und Rainald noch immer beisammen saßen. Was ihn jedoch zutiefst beunruhigte, war seine hübsche Tochter Alicia, die gerade hinzutrat und sich zu den beiden Abenteurern setzte. Der abweisende Gesichtsausdruck, den sie sonst immer zu zeigen pflegte, wenn sie sich dem nichtsnutzigen Straßenkämpfer näherte, schien heute zu fehlen. Malice beschloß, dass es allerhöchste Zeit war, sich zu seinen Gästen zu gesellen und ein wachsames Auge auf seine hübsche Tochter und eventuelle Verehrer zu haben.

Bendix verließ das „Savoir Vivre“ mit einem Gefühl der Entschlossenheit, dass er schon lange nicht mehr verspürt hatte. Zunächst galt es nun, einige Veränderungen an der äußeren Erscheinung vorzunehmen und etwaige Verfolger der Stadtwache abzuschütteln. Mittlerweile dämmerte der Abend und die Straßen der Innenstadt von Nevongard pulsierten vor Leben. Bürger und Arbeiter spazierten durch die Straßen und betrachteten die Auslagen der Schaufenster, kauften einige Leckereien bei einem Straßenhändler oder setzten sich zu einem kühlen Trunk in eine der zahlreichen Wirtschaften.
Die vielen Menschen würden es ihm erleichtern, seine Verfolger abzuschütteln, überlegte Bendix. Nach kurzer Überlegung blieb er vor der Auslage eines Tuchhändlers stehen und blickte verstohlen um sich. Schnell hatte er seine Verfolger entdeckt: Zwei Soldaten der Stadtwache, beide in Zivilkleidung, einer vor ihm, der andere hinter ihm. Er kicherte, weil beide ihr militärisches Gehabe nicht ablegen konnten und so selbst in einer Menschenmenge sofort auffielen. Bendix ging weiter in Richtung Gildenmarkt, bog dann nach rechts in eine kleine Gasse ab, schwenkte dann nach links und trat in eine kleine, überfüllte Kneipe. Ohne lange zu zögern, schob er sich am Tresen vorbei in Richtung Abtritt und betrat einen kleinen Verschlag, in dem es widerlich stank.
Er schätzte die Größe des Fensters, verglich sie im Geiste mit seinem eigenen Bauch und zog sich dann mit unerwarteter Behändigkeit durch das Fenster hindurch, das sich zum Hof hin öffnete. Geschickt sprang er hinab und landete fast geräuschlos im Schatten. Linkerhand gab es einen schmalen Durchschlupf, der offenbar zurück auf eine der größeren Gassen führte. Bendix schlüpfte in den Durchlaß und begann zu laufen, bis er erneut die Menschenansammlung der Hauptstraße erreicht hatte. Als er sich ein weiteres Mal umschaute, die Auslage eines Händlers als Tarnung benutzend, konnte er keinen Verfolger mehr entdecken. Er gestattete sich ein kurzes Lächeln und ging dann zielstrebig zu den Pforten des Nachtmarktes.

Der Nachtmarkt lag unter dem zentralen Teil der Innenstadt Nevongards und wirkte im Vergleich zur übrigen Stadt fast südländisch. Zahlreiche Händler hatten hier ihre Stände aufgebaut und boten die verschiedensten Waren feil und in zahlreichen kleinen Kneipen lockten kulinarische Genüsse aus dem ganzen Nordreich. Außerdem gab es zahlreiche Händler, die es mit den Gesetzen nicht allzu genau nahmen und die unter dem Tisch nahezu alles kauften und verkauften, was das Herz begehrte.

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