Orbis Incognita
Orbis Incognita - Das Rollenspiel
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Bendix war nicht zum ersten Mal hier und so dauerte es nicht lange, bis man seinen blonden Schopf in einem kleinen Laden verschwinden sah. Das Schild neben der Tür verriet, dass hier Madame Bornité aus Bourbon ihre Dienste feil bot. Wenig später verließ ein mittelgroßer, leicht gebeugter Mann den Laden. Seine pechschwarzen Haare waren raspelkurz geschnitten und verschwanden unter einer flachen Mütze, die häufig von gomdischen Fischern getragen wurde. Seine Kleidung war die eines Arbeiters oder kleinen Händlers, vielfach geflickt und teilweise schmutzig. Niemand hätte Bendix auf den ersten Blick erkennen können, und genau das hatte er beabsichtigt, um unbehelligt von der Stadtwache einige Nachforschungen anzustellen.

Nach längeren Überlegungen war Bendix zu dem Schluß gekommen, dass ihm genau drei Möglichkeiten blieben. Erstens: Er könnte Nevongard verlassen, indem er als Ruderer oder Matrose auf einem albionischen Schiff anheuerte. Allerdings zog er diese Möglichkeit nicht ernsthaft in Betracht, da er seine Freunde nicht verlassen mochte, schon gar nicht, ohne sich zu verabschieden oder sein Können in einer letzten, spektakulären Aktion unter Beweis zu stellen. Außerdem brannte es in ihm, den Bewohnern der Stadt Nevongard zu zeigen, dass er kein nutzloser albionischer Freihändler war, der sich nur mit Betrügereien durchs Leben schlagen konnte.
Zweitens konnte er versuchen, die Diebstähle an Blaudorn und den Mord am Schuldirektor aufzuklären, um sich sozusagen für seinen Betrug zu rehabilitieren. Die dritte Möglichkeit schien ihm jedoch am Besten: Er wollte dem Wirt der „Säbel“, der als erfolgreicher Hehler und Gauner bekannt war, dass Handwerk legen und so der Anklage das Fundament zu entziehen. Immerhin blieben ihm 30 Tage Zeit, einen Beweis zu finden und nach einiger Zeit beschloß er, dem Wirt der Säbel das Handwerk zu legen und ihn so als Ankläger zu diskreditieren.
Paul Hindelang arbeitete seit vielen Jahren für den Wirt der „Säbel“. Angefangen hatte er einst als einfacher Türsteher, dann war er zum Aufseher an einem der Spieltische aufgestiegen, schließlich zum obersten Aufseher aller Spieltische und inzwischen hatte er es zum Geschäftsführer des Etablissements gebracht. Auch nach vielen Jahren und zahlreichen Gaunereien liebte es Paul, gelegentlich als Türsteher oder Spieltischaufseher zu arbeiten, um die zwielichtigen Gestalten kennenzulernen, die sich in Nevongards Unterwelt bewegten.

An diesem Abend hatte er von seinem Wirt jedoch eine besondere Aufgabe bekommen: Er sollte als Türsteher höchstpersönlich dafür sorgen, dass weder der Straßenkämpfer Rainald, noch der Jäger Sirion, noch der Magier Baldowan noch der albionische Freihändler Bendix Zutritt zu den Säbeln fanden. Da Paul ausführliche Beschreibungen bekommen hatte, zweifelte er nicht daran, die beschriebenen Personen vom Eintreten abhalten zu können. Pikanterweise hatte ihm ein weiterer Auftraggeber durch einen Boten 10 Gulden überreichen lassen und ihn beauftragt, den besagten Personen den Zutritt nicht zu verwehren.
Üblicherweise musste er als Türsteher nichts anderes als seine Fäuste einsetzen, da seine gewaltige Körperkraft die meisten Störenfriede schon genug abschreckte. Sein Oberkörper hatte die Ausmaße eines Bierfasses und seine Oberarme glichen gewaltigen Keulen. An diesem Tag hatte er – um die Sicherheit zu erhöhen, wie er selbst sich ausdrückte – zusätzlich Totschläger, Schlagstock und Garotte bereitgelegt. Doch an diesem Abend verlief alles ruhig, fast zu ruhig für Pauls Geschmack, der gerne eine schöne Prügelei genossen hatte. Jedoch waren heute fast nur Stammgäste in die „Säbel“ gekommen, dazu ein schüchterner Seemann soldalischen Aussehens, der sich mehrmals nervös über die raspelkurzen, schwarzen Haare strich, bis Paul ihm Einlaß gewährt hatte. Weder der Albioner Bendix noch einer seiner Freunde hatten sich am Eingang gezeigt, so dass Paul nicht in die Verlegenheit gekommen war, sich zwischen den Wünschen seiner beiden Auftraggeber entscheiden zu müssen.

Bendix blickte sich neugierig im Schankraum der Säbel um. Wie ihm eine hübsche, blonde Kellnerin mühsam verständlich gemacht hatte, gab es drei Bereiche: Einen normalen Schankraum, eine Art Spielbank sowie einen Raum für Tanzaufführungen. Der Albioner ließ sich fürs erste im Schankraum nieder und beschränkte sich darauf, die Gäste bei einigen Krügen Dünnbier zu beobachten. An seinem ersten Abend passierte nichts nennenswertes, ebensowenig am zweiten.

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