Orbis Incognita
Orbis Incognita - Das Rollenspiel
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Am dritten Abend bot ihm ein zwielichtiger, junger Kerl eine Goldkette zum Kauf an, sicher 20 Gulden Wert, die er ablehnte. Wenig später bot ihm eine ausgesprochen gut aussehende Kellnerin ihre Gesellschaft und einen Platz in einem der Separees an, was er beides annahm.
Erst am vierten Abend konnte er etwas feststellen, was ihm möglicherweise weiterhelfen würde. Gelegentlich kam es vor, dass einige Gäste mit dem Wirt persönlich durch eine unauffällige Tür hinter dem Tresen in einem Nebenraum verschwanden und nicht wieder in den Schankraum zurückkamen. Aus dem vertraulichen Umgang des Wirtes mit diesen Gästen schloß Bendix, dass in diesem Raum hinter der Theke die etwas delikateren Geschäfte abgewickelt wurden, die nach Möglichkeit ohne Zeugen stattfinden sollten. Wie sollte er in diesen Raum gelangen?

Tagsüber waren die „Säbel“ sicher verschlossen und ausgesprochen gut bewacht, so dass er sich eine gute List einfallen lassen musste. Drei Tage später ließ er sich erneut von der jungen Kellnerin in eines der Separees entführen. Sie verbrachten einige amüsante Stunden in dem kleinen, mit Plüschmobiliar hübsch augestatteten Raum , bis der Lärm, der aus dem Schankraum herein drang, immer leiser wurde. „So, mein Hübscher! Die Party ist zu Ende.“ Bendix, der früher am Tage einige kleine, unschöne Utensilien besorgt hatte, gab sich den Anschein eines völlig betrunkenen Gastes: „Nur einen Wein noch, nur wir beide!“
Seufzend beugte sich die junge Kellnerin zur Weinflasche hinab, die auf einem kleinen Beistelltischchen bereit stand und schickte sich mißmutig an, die Gläser noch ein letztes Mal zu füllen. Bendix zog unterdessen blitzschnell einen kleinen, weichen Lappen aus der Innentasche und tränkte ihn mit einer Tinktur, die er einem kleinen Fläschchen entnahm, das er ebenfalls in der Innentasche getragen hatte. Leise drückte er dem Mädchen den Lappen auf den Mund und hielt sie dann fest, bis sie in einer tiefen Ohnmacht versank.

Bedauernd schüttelte er den Kopf. Nach dem Aufwachen würde die junge Kellnerin, die er fast lieb gewonnen hatte, sicher gewaltige Kopfschmerzen haben. Einem Impuls folgend, zog er einen kleinen Beutel mit 20 Silbertalern aus seiner Jacke und drückte ihn in die Hand des schlafenden Mädchens. Dann wartete er kurz und schob sich fast lautlos in den verwaisten Schankraum. Offenbar hatte das meiste Personal die „Säbel“ bereits verlassen, da nur aus der Küche noch Licht zu dringen schien. Nach kurzer Überlegung schlich Bendix jedoch zu der verborgenen Tür, die sich hinter der Theke befand. Er presste das Ohr an das raue Holz der Türe und verharrte kurz, um festzustellen, ob jemand hinter dieser Türe versteckt war. Er hörte nichts und drückte vorsichtig die Klinke hinab.
Verschlossen! Die Tür war verschlossen! Nun gut, damit war zu rechnen gewesen. Aus einer kleinen Innentasche seiner Jacke zog er einen Dietrich hervor, der ihm in der Vergangenheit schon mehrmals gute Dienste geleistet hatte. Leise arbeitete er am Schloß und versuchte es zu manipulieren. Schließlich gab die Mechanik mit einem leisen klicken nach. Der Weg war frei! Bendix jubelte innerlich und drückte mit der Schulter gegen die Tür. Nichts passierte. Ungläubig versuchte er ein zweites Mal, die Tür zu öffnen, jedoch abermals ohne Erfolg.

Nachdem er sich vergewissert hatte, dass er das Schloß tatsächlich erfolgreich geknackt hatte, spähte er seitlich in die Türfuge. Und richtig: Dort schien die Tür zusätzlich mit einem massiven, hölzernen Riegel gesichert zu sein. Das sollte kein Problem sein, dachte Bendix und zog ein langes, dünnes Stilett aus der Scheide am linken Unterarm und steckte die dünne, bläulich schimmernde Klinge durch den Türspalt. Mit einem kleinen Stoß rammte er die Waffe in den Riegel und hob den Balken langsam an, bis er die Türe vorsichtig öffnen konnte. Hinter der Tür lag ein Gang, der von zwei Fackeln spärlich beleuchtet wurde, die in metallenen Halterungen an der Wand steckten. Bendix grinste erfreut, zog die Tür hinter sich zu und betrat das Allerheiligste der „Säbel“.

Schon nach wenigen Schritten endete der Gang. Das konnte nicht sein, oder? Bendix wollte schon enttäuscht fluchen, als sein Blick auf eine Falltür im Boden fiel. Er öffnete die Klappe so leise wie möglich und spähte hinunter. Unten hockte ein Wächter auf einem Stuhl, den Kopf an die Wand gelehnt und schnarchte leise. Als Bendix die Waffen dieses Wächters sah, stockte ihm der Atem, denn im Gegensatz zu normalen Türstehern oder Rausschmeißern in Kneipen oder Bordellen war dieser Mann hier aufs Beste ausgerüstet.
Er trug eine Brigantine, Kettenhosen und gepanzerte Handschuhe sowie eine Kettenkapuze. Dazu hatte er zwei gefährlich aussehende Äxte neben sich stehen und eine teure Radschloßpistole am Ledergürtel. In diesem Augenblick wurde Bendix bewusst, dass er hier in Lebensgefahr schwebte, wenn man ihn erwischen würde. Wer ohne Einladung hierher kam, würde wahrscheinlich auf direktem Wege zu den Fischen geschickt werden. Aber soweit würde es heute nicht kommen, dessen war sich Bendix sicher. Seine Entschlossenheit verlieh seinen Handlungen die nötige Sicherheit, und so kicherte er leise, als er diesen Wächter mit Hilfe der Tinktur tief ins Land der Träume schickte. Anschließend nahm er die Radschlosspistole an sich, untersuchte sie kurz und schob sie dann in den eigenen Gürtel. Das Schießeisen war von zwergischer Herkunft und ungewöhnlich gut gearbeitet, wie der Händler sofort erkannte.
Mit den Äxten konnte er jedoch wenig anfangen, da er leichtere, elegantere Waffen bevorzugte. Leise schlich er am nun noch tiefer schlafenden Wächter vorbei und schob sich einen weiteren, düsteren Gang entlang, der langsam abwärts zu führen schien. Seltsamerweise waren die Wände trotzdem völlig trocken. Nach etwa 150 Schritten sah Bendix schemenhaft eine Leiter aus dem Zwielicht des schlecht beleuchteten Ganges auftauchen, die zu einer weiteren Falltür führte. Als er näher kam, hörte er von oben leise Stimmen, ohne jedoch genau verstehen zu können, worum sich das Gespräch drehte.

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